Vortrag von Johanna Schweigel, Bildungsreferentin beim LandFrauenverband Württemberg-Baden e.V.
Die Referentin verdeutlichte sehr anschaulich, dass der Kampf um das Wahlrecht für Frauen schon vor mehr als 100 Jahren begann und zeigte verschiedene Schritte und Vorgehensweisen eindrucksvoller Frauen auf.
Zur Zeit der Deutschen Revolution 1848 wurde für mehr Demokratie gekämpft, u.a. für die Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts und die Pressefreiheit. Allerdings fand sich in allen Proklamationen, auch in der Mannheimer Petition, kein Wort über die Rechte von Frauen.
Louise Otto-Peters gründete 1948 die erste „Frauen-Zeitung“, in der erstmals öffentlich politische und private Forderungen von Frauen zur Gleichberechtigung vertreten wurden. Wie brisant das zur damaligen Zeit war, zeigt die „Lex Otto“ von 1850. Für eine einzige Frauenzeitung wurde eigens das Pressegesetz des Königreichs Sachsen geändert. §12 dieses Gesetzes verbot Frauen die Herausgabe von Zeitungen. Frauen, die sich in der Öffentlichkeit politisch äußerten, wurden verhaftet. Vereinigungen, die sich mit Gleichberechtigung, Wahlrecht und anderen politischen Themen befassten, wurden als Wohltätigkeitsvereine getarnt.
Frau Schweigel erzählte von Hedwig Dohm, einer Schriftstellerin, geboren 1831,die gleiche Bildung und Ausbildung für beide Geschlechter forderte und für Frauenstudium und Frauenstimmrecht kämpfte .
Und von den ab 1880 entstehenden drei Bewegungen:
– der Internationale Frauentag unter Leitung der proletarischen Frauenbewegung um Clara Zetkin, der das Frauenwahlrecht und Lohngleichheit fordert.
– der Bund Deutscher Frauenvereine (BDF) mit den gemäßigten Vertreterinnen Auguste Schmidt und Helene Lange, der sich für bessere Bildung von Frauen, „gleiche Bildung für alle“, und bessere Arbeitsbedingungen für Frauen einsetzt sowie gegen die damals geplante Neuregelung des Familienrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) kämpfte, in der Frauen von ihren Ehemännern auch bei der Kindererziehung noch stärker bevormundet werden sollten.
– der Verband fortschrittlicher Frauenvereine, der die Idee vertritt, jeder Mensch soll das Recht haben, seine Individualität zu entwickeln und sich ebenfalls für das Frauenstimmrecht als Teil der Gleichberechtigung einsetzt. Prominente Aktivistinnen sind Minna Cauer und Anita Augspurg, die den ersten Frauenstimmrechtsverein leiteten.
Johanna Schweigel zeigte die Entwicklung dieser Bewegungen sehr lebendig auf, indem sie die Lebensgeschichte der genannten Aktivistinnen sowie die von Lida Gustava Heymann und Marie Stritt schilderte.
Marie Stritt verfasste 1896 den „Frauenlandsturm“ als Protestmaßnahme gegen den Entwurf eines Familiengesetzes (Bürgerliches Gesetzbuch), das die Vormundschaft des Ehemannes über die Ehefrau erneut festschrieb und somt die zivilrechtliche Ungleichheit derGeschlechter fortsetzte: „Dem Manne steht die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu; er bestimmt insbesondere Wohnort und Wohnung.“ In dem Flugblatt, das im Deutschen Reichstag verteilt wurde, wurden die Frauen aufgerufen, ihre ehelichen Pflichten im Haushalt zu boykottieren.
1895 sorgt August Bebel dafür, dass die Fordung nach einem Wahlrecht für Frauen ins Parteiprogramm aufgenommen wird. Er erzwingt die Eingabe eines entsprechenden Gesetzesentwurfs in den Reichstag. Dieser wird mit großer Mehrheit abgelehnt.
Am 12. November 1918 wurde den Frauen endlich das Wahlrecht gewährt. Am 19. Januar 1919 dürfen dann alle Frauen zum ersten Mal wählen und gewählt werden.
Die erste Politikerin, die 1919 in der Weimarer Nationalversammlung vor einem deutschen Parlament sprechen durfte, war die SPD-Abgeordnete Marie Juchacz.
Im Parlamentarischen Rat, welcher unser Grundgesetz entworfen hat, waren lediglich vier Frauen vertreten: Friederike Nadig (SPD), Elisabeth Selbert (SPD), Helene Weber (CDU) und Helene Wessel (Zentrum). Elisabeth Selbert setzte die Aufnahme von Artikel 3 Absatz 2 durch: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“
Bis diese Gleichberechtigung in anderen Gesetzen verankert wurde, war es noch ein langer Weg. Die Gleichstellung im Familienrecht erfolgte 1953 und im Güterrecht 1957, als die Zugewinngemeinschaft das bisherige alleinige Bestimmungsrecht des Ehemanns ablöste. Erst ab 1977 konnte eine Ehefrau berufstätig sein ohne die Zustimmung ihres Ehemannes zu benötigen.
Der Frauenanteil im Bundestag betrug 2017 30,9 %. Im Landtag von Baden-Württemberg sind es wesentlich weniger, 2016 24,5 %. Würden nicht die Grünen ihr Posten paritätisch besetzen, wären es noch weniger.